Hoch hinaus: Schülerinnen erleben Wissenschaft hautnah
Aktion zur Gleichberechtigung an Kühlungsborner Institut / Mädchen lassen Wettersonden aufsteigen
Kühlungsborn, 18. Oktober 2022
Forschung hat ein Gleichstellungsproblem. Nach wie vor dominieren Männer Berufe in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – kurz MINT. Um das zu ändern, möchten der Berliner Verein MINT EC und die Universität Frankfurt am Main interessierte Mädchen mit dem wissenschaftlichen Arbeiten vertraut machen. Dafür sind jetzt neun Schülerinnen aus ganz Deutschland an das Leibniz-Institut für Atmosphärenphysik (IAP) nach Kühlungsborn gereist, um sich zwei Tage lang als Forscherinnen auszuprobieren.
Die Mädchen zwischen 16 und 18 Jahren erkundeten das Institut an der Ostsee und erhielten einen Einblick in den Arbeitsalltag in der Atmosphärenforschung. Gestandene Physikerinnen und Physiker berichteten vom Weg in die Wissenschaft und machten die Schülerinnen mit den hochmodernen Techniken des Instituts vertraut.
„Physik ist so faszinierend, weil wir sie in allen Lebensbereichen wiederfinden“, sagt Lara, die die 12. Klasse einer Schule in Rheinland-Pfalz besucht. Nach dem Abitur möchte sie Physik studieren. „Wir können damit unglaublich viel erklären und trotzdem gibt es noch so viele offene Fragen. Sehr interessant.“
In Kühlungsborn konnten die Schülerinnen auch selbst Hand anlegen: Mit Hilfe von Ballons mit einem Durchmesser von zwei Metern schickten sie Wettersonden aus, die bis in 38 Kilometern Höhe Temperatur, Wind und Luftfeuchtigkeit maßen. Die Daten wurden per Funk an das Institut gesendet und von den Mädchen ausgewertet. „Wir am IAP erforschen mit bodengestützten Messinstrumenten wie Radaren oder Lidaren die mittlere Atmosphäre“, sagt Dr. Michael Gerding, der in der Abteilung Optische Sondierung arbeitet und das Projekt begleitet. „Die Ballons, die die Schülerinnen ausgesendet haben, liefern uns dafür ergänzende Messdaten.“
Der Ausflug der Schülerinnen nach Mecklenburg-Vorpommern ist Teil des Forschungsprojekts MS-GWaves, an dem sich das IAP beteiligt. Ziel des Vorhabens ist es, die internen Schwerewellen in der Atmosphäre besser verstehen zu können, um dadurch Prognosen für Wettervorhersagen und Klimawandel verlässlicher zu machen.
Rund 70 Mitarbeitende in Forschung, Technik und Verwaltung fasst das Kühlungsborner Institut. Etwa 20 von ihnen sind weiblich. Damit dieser Anteil in Zukunft steigt, gibt es ein Gremium für Gleichstellung, das in den vergangenen Jahren verschiedene Maßnahmen auf den Weg gebracht hat wie familienfreundliche Homeoffice-Regelungen oder Gleitzeit. Seit 2014 trägt das Institut das bundesweit vergebene Qualitätssiegel „berufundfamilie“. „Wir freuen uns über mehr Frauen in der Forschung“, sagt Prof. Dr. Claudia Stolle, die seit einem Jahr das IAP leitet. Und wer weiß – vielleicht gibt es irgendwann ein Wiedersehen mit einer jungen Rheinländerin.