SIMONe in Südamerika
Sechs Monate MLT-Beobachtungen in Peru und Argentinien mit einem neuen Radar-Netzwerk
Kühlungsborn, 03.06.2020
Die mesoskaligen Strukturen der Mesosphäre / unteren Thermosphäre (MLT) sind weitgehend unerforscht, insbesondere ihre horizontalen Dimensionen. Unlängst wurde ein spezieller Betriebsmodus für Meteor-Radare entwickelt, genannt MIMO („Multiple-Input Multiple-Output“. Kodierte Signale werden in den Himmel gesandt, an Meteorspuren reflektiert und von verschiedenen Stationen empfangen. Für jedes Empfangs-Signal wird der individuelle Signalweg berechnet und aus den vielfachen Beobachtungen der Reflektionen (Meteor-Echos) kann dann das Windfeld rekonstruiert werden. Dieses System wird SIMONe genannt, die Abkürzung für „Spread spectrum Interferometric Multistatic meteor radar Observing Network“.
Die erste SIMONe-Installation außerhalb Europas wurde in den Gebirgsgegenden Argentiniens platziert, wo auch internationale Feldkampagnen durchgeführt werden. SIMONe Argentinien besteht aus einem Sender und fünf Empfängern. Eine der Stationen, El Calafate, hat eine bestimmte Beziehung zu Mecklenburg: Gunther Plüschow. Dieser Sohn einer alten Mecklenburger Familie unternahm eine Reihe von Expeditionen nach Südamerika und kam 1931 bei einem Flugzeuabsturz am Fuße des Gletschers El Perito Moreno in der Nähe von El Calafate ums Leben.
Erste Tests verliefen erfolgreich – ein Beispiel einer Standardbeobachtung ist in Abbildung 2 gezeigt. Obwohl unser Hauptaugenmerk in diesem interessanten Gebiet auf orographisch angeregten Wellen liegt, konzentrieren sich unsere vorläufigen Ergebnisse auf die großskaligen Eigenschaften des MLT-Winds. Aus den Beoachtungen der ersten sechs Monaten fanden wir heraus, dass die dominante Welle die halbtägige Gezeit ist, wie wir es von unseren Erfahrungen in den nördlichen Breiten erwartet hatten. Darüber hinaus haben wir auch Zwei-Tages-Wellen mit Amplituden beobachtet, die bei weitem größer waren als in den nördlichen Breiten. Die Ableitung und Auswertung der horizontal aufgelösten Winde und Schwerewellen-Informationen (z.B. dem Impulsfluss) ist gegenwärtig im Gange.
Ein zweites System, ähnlich SIMONe Argentinien, wurde in Zentral-Peru installiert (SIMONe Peru). Der Sender ist am Jicamarca Radio Observatory platziert – einer Referenz-Station, die sich auf äquatoriale Ionosphärische Beobachtungen spezialisiert hat. Fünf Empfänger wurden in 50 bis 200 km Abstand von Jicamarca installiert. Ein erstaunliches, in dieser Region beobachtetes Phänomen ist der äquatoriale Elektrojet, der durch eine starke Strömung in ungefähr 100 km Höhe gekennzeichnet ist. Er wurde 1920 am Observatorium Huancayo entdeckt, einer der Empfangstationen. Das hauptsächliche Anliegen von SIMONe Peru ist die Untersuchung der Verbindung zwischen der MLT-Dynamik, dem Antrieb durch die untere Atmosphäre und der ionosphärischen Variabilität.
Nach einigen Wochen intensiver Installationsarbeit bis September 2019, arbeiten nun beide Installationen seit etwas mehr als sechs Monaten. In Abbildung 4 sind drei Tage mit Meteor-Zählraten und Winden über Peru dargestellt. Was wir, im Gegensatz zu den mittleren Breiten, an diesen Messungen in niederen Breiten klar sehen, ist dass die dominante Wellen die ganztägige Gezeit ist. Obwohl das Hauptaugenmerk auf den Neutralwinden der MLT-Region liegt, ist das System auch in der Lage, Echos von Boliden, Flugzeugen und ionosphärischen Plasmairregularitäten auszumachen.
Die Inbetriebnahme der Installationen umfasst die engagierter Arbeit vieler Menschen, die sich um Systementwicklung, Installationsprobleme, Verschickung und Transport, verlässliche Stromversorgung und verwaltungstechnische Vereinbarungen gekümmert haben,und das in einem anderen Land, was eine Menge Flexibilität erfordert und die Bereitschaft, immer auf das Unerwartete vorbereitet zu sein.
SIMONe ist eine Forschungsaktivität, die von der Abteilung für Radarsondierungen des IAP geleitet und in enger Zusammenarbeit mit der Universidad Nacional de la Patagonia Austral (Argentina), dem Instituto Geofisico del Peru, Ciencia Internacional (Peru), der Arctic University in Norway sowie dem MIT Haystack Observatory durchgeführt wird. Die technische Entwicklung und Forschung im Zusammenhang mit diesen Installationen wird teilweise gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG, German Research Foundation) unter SPP 1788 (DynamicEarth)-CH1482/2-1 und unter SPP 1788 (CoSIP)-CH1482/3-1.
Das Leibniz-Institut für Atmosphärenphysik (IAP) ist eines der deutschen Zentren für die Erforschung der mittleren Atmosphäre und in weltweite Kooperationen eingebunden. Es hat seinen Hauptsitz im Ostseebad Kühlungsborn, eine Außenstelle in Juliusruh und beteiligt sich maßgeblich an einem Observatorium in Nordnorwegen (ALOMAR). Als An-Institut der Universität Rostock ist das IAP fester Bestandteil des Lehrprogramms in Physik. Am IAP sind ca. 90 Mitarbeiter/innen beschäftigt. Es betreibt eine gleichstellungs- und familienorientierte Personalpolitik und ist durch das Audit "berufundfamilie" zertifiziert.
Kontakte: Direktor Prof. Franz-Josef Lübken luebken@iap-kborn.de, Projektleiter Prof. Jorge L. Chau chau@iap-kborn.de