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Diagnose und Modellierung von brechenden Rossby-Wellen

Dem Höhengebiet obere Troposphäre / untere Stratosphäre (UTLS = upper troposphere / lower stratosphere) kommt als Grenzbereich zwischen Troposphäre und mittlerer Atmosphäre für das Verständnis der vertikalen Kopplungsprozesse eine besondere Bedeutung zu. Variationen der in diesem Höhengebiet besonders starken Westwinde der mittleren Breiten (hier liegt der stärkste mittlere Impuls der gesamten Atmosphäre) führen zu planetaren Rossby-Wellen und Wellenbrechungsereignissen (RWB = Rossby Wave Breaking), die einerseits die Impuls- und Wärmetransporte der Troposphäre und damit das Klima maßgeblich mit gestalten, andererseits Zirkulation, Temperatur, Polarwirbel und Spurengasverteilung in der mittleren Atmosphäre bestimmen. Inwieweit Änderungen in der Stratosphäre auf die Zirkulationsstrukturen der Troposphäre rückkoppeln ist zurzeit Fragestellung aktueller Forschung. Der unterschiedlichen Wirkung der verschiedenen, zumeist asymmetrischen Typen des RWB (d.h. primär nordwärts (P1, P2) oder südwärts (LC1, LC2) brechend, bzw. je nach Position im Westwindband zyklonal (P1, LC2) oder antizyklonal (P2, LC1) geschert) wird dabei jedoch bisher kaum Beachtung geschenkt.

Im Rahmen eines DFG-Projektes haben wir eine Methodik zur Diagnose der verschiedenen Typen von RWB entwickelt und den Einfluss längenabhängiger Strömungen in der UTLS Region auf das RWB Verhalten mit einer vereinfachten Version des Klimamodells ECHAM4 verifiziert. Erste Ergebnisse hatten gezeigt, dass eine Kombination der meridionalen Komponente Fy der dreidimensionalen Wellenflüsse mit dem diffluenten/konfluenten Charakter der Strömung (gekennzeichnet durch die Struktur des Geopotentials in der UTLS Region) prinzipiell eine Separation in die verschiedenen Typen von RWB bietet, und dass die mit dem winterlichen Polarwirbel verbundene Welle-1-Struktur in der Stratosphäre von erheblicher Bedeutung für die troposphärische Wellenaktivität sein kann. Im Berichtszeitraum waren diese Ergebnisse auf Grundlage einer erweiterten Diagnostik unter Einbeziehung der Potentiellen Vorticity (PV) zu verifizieren und der mögliche Einfluss der stratosphärischen Welle-1-Struktur auf dekadische Schwankungen in der troposphärischen Zirkulation zu untersuchen. Einige Ergebnisse der weitestgehend abgeschlossenen Projektarbeiten werden im Folgenden vorgestellt (s. Gabriel &Peters, JMSJ, eingereicht; Gabriel & Peters, JAS, in Vorbereitung).

RWB findet definitionsgemäß in Gebieten mit lokaler Umkehr des meridionalen PV-Gradienten statt (PVy  < 0 auf der Nordhemisphäre), da hierdurch der Übergang in die instabile, nicht-lineare Wellenentwicklung angezeigt wird. In der erweiterten Diagnose haben wir daher den meridionalen Wellenfluss Fy, dessen Vorzeichen zyklonal (Fy > 0) bzw. antizyklonal (Fy < 0) geschertes RWB kennzeichnet, bei der Berechnung des Langzeitverhaltens auf diese Gebiete beschränkt.

Eine offene Frage war allerdings noch, ob auch die Stärke (der Absolutwert) von Fy als Maß für zyklonal bzw. antizyklonal geschertes RWB herangezogen werden darf. Unabhängig von Fy haben wir daher zyklonal bzw. antizyklonal geschertes RWB über den longitudinalen PV- Gradienten (PVx) beschrieben. Abb. 1 zeigt jeweils zwei Zentren mit ausgeprägtem zyklonal geschertem RWB in höheren Breiten (Süd-Grönland, Aleuten), sowie je zwei Bänder mit ausgeprägtem antizyklonal geschertem RWB in mittleren Breiten (Atlantik, Pazifik). Die sehr gute Antikorrelation (r=-0.926) bestätigt, dass Fy tatsächlich ein geeigneter Parameter zur Kennzeichnung von zyklonalem bzw. antizyklonalem RWB Verhalten ist.

Weiterführenden Diagnosen, die nur auf Grundlage der geometrischen PV-Struktur beruhen, sind jedoch aufgrund der starken Variationen der PV während des nichtlinearen Brechungsvorgangs Grenzen gesetzt. Dagegen ermöglicht der meridionale Wellenfluss Fy, der während des Brechungsvorgangs einheitlich gerichtet ist, in Kombination mit der diffluenten/konfluenten Strömung eine zusätzliche Unterscheidung in vorwiegend nord- bzw. südwärts gerichtetes RWB.

Alternativ kann der Absolutwert von Fy in Gebieten positiver und negativer Abweichungen der PV vom zonalen Mittel (dPV ) als Kriterium herangezogen werden, um den nordwärts (dPV < 0) bzw. südwärts (dPV > 0) brechenden Wellenanteil der sich asymmetrisch entwickelnden Welle zu kennzeichnen. Die zeitliche Summation über die lokalen RWB-Ereignisse liefert dann eine mittlere Anzahl von Tagen für eine ausgewählte Zeitperiode, an denen typisches RWB Verhalten auftritt. Als Beispiel zeigt Abb. 2 die mittlere Stärke sowie die mittlere Häufigkeit für antizyklonal gescherte, nordwärts brechende Ereignisse (P2), deren Wirkung von den Entstehungsgebieten über den Ozeanen bis nach Nordamerika bzw. Europa reicht. Sichtbar wird z.B., dass die starke P2-Aktivität über West-Europa (Abb. 2, links) mit einer ausgeprägten lokalen Häufigkeit von P2-Ereignissen (Abb. 2, rechts) verbunden ist, da sich im Zuge der P2-Ereignisse häufig stabile, blockierende Hochdruckgebiete mit einer hohen Verweildauer entwickeln. Demgegenüber bilden die primär südwärts brechenden antizyklonal gescherten RWB Ereignisse (LC1) in dieser Region häufig transiente Tiefdruckgebiete über dem Mittelmeer und dem Ost-Atlantik (s. Gabriel & Peters, JMSJ, eingereicht). Hier zeigt sich die Bedeutung der neu entwickelten Diagnose zur Unterscheidung in nord- bzw. südwärts gerichtetes RWB für die Beurteilung der Kopplung von großräumigen Strömungen in der UTLS Region und regionalen Klimaverhältnissen.

Als Beispiel zeigt Abb. 3 eine Anwendung der Diagnose zur Untersuchung dekadischer Klimavariationen und ihrer Kopplung mit der Stratosphäre. Bekanntermaßen ist die NAO (Nordatlantische Oszillation) eine Variation im Westwindband, die z.B. durch stärkere (positive NAO-Phase) oder schwächere (negative NAO-Phase) Bodendruckdifferenz zwischen Islandtief und Azorenhoch charakterisiert werden kann (erwähnt sei hier der mittlere Trend von negativer NAO-Phase während der 1960er Jahre zu positiver NAO-Phase während der 1990er Jahre).

Aus der Diagnose der Beobachtungsdaten ergibt sich, dass die Intensität der P2-Ereignisse über Westeuropa in den Winterperioden mit positiver NAO stark zunimmt (Abb. 3, links). Bekannt ist ebenfalls, dass sich während der Wintermonate eine stationäre Welle-1-Struktur in der Stratosphäre bildet, deren Minimum zumeist über Nordeuropa / Sibirien oder auch Grönland / Nordkanada liegt und mit dem stratosphärischen Polarwirbel verbunden ist. Um die mögliche Rückwirkung der stratosphärischen Welle-1-Struktur auf das RWB Verhalten zu untersuchen, haben wir ein vereinfachtes Klimamodell ECHAM4 auf eine stratosphärische Welle-1-Struktur forciert (keine Strahlung, keine Orographie, Temperatur-Relaxation mit und ohne Forcierung der stratosphärischen Welle-1-Struktur). Aus der Diagnose der Modellresultate ergibt sich einerseits, dass die Forcierung auf die stratosphärische Welle-1-Struktur die P2-AktivitÄat anregt und einen erheblichen Beitrag zur NAO-Variabilität liefern kann (Abb. 3, mitte; hier sei erwähnt dass ein Vergleichslauf mit zonal gemittelter Forcierung eine zonal einheitliche P2-Verteilung generiert). Andererseits zeigt sich auch eine Rückwirkung der RWB Ereignisse auf die sich stark asymmetrisch entwickelnde stratosphärische Welle-1-Struktur (Abb. 3, rechts). Im Modell entwickelt sich also eine Balance zwischen mittlerem RWB Verhalten und stratosphärischer Welle-1-Struktur, wobei Änderungen in Phase und Amplitude der forcierten stratosphärischen Welle-1-Struktur auch entsprechende Änderungen im RWB Verhalten hervorrufen. Dieser durch das Modellexperiment extrahierte Feedback-Mechanismus wird in der realen Atmosphäre durch weitere Wellenanregungen (Orographie, u.a.) stark überlagert. Die entwickelte Diagnostik soll für weitere Untersuchungen zu aktuellen Fragen der vertikalen Kopplung der atmosphärischen Höhengebiete (klimabedingte Änderungen in der Wellenausbreitung, Einfluss der Stratosphäre auf Troposphäre und Mesosphäre, Generation von Schwerewellen) herangezogen werden.

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Dr. Axel Gabriel

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Quelle

Institutsbericht 2006/2007